Stockheim. Als sich das schwere Tor hinter den Feuerwehrleuten schließt, herrscht völlige Finsternis. Die Anspannung bei den jungen Einsatzkräften steigt. Jede Sekunde geht es los. Eine Flamme schießt aus einem Gasofen empor, breitet sich an der Decke aus und bietet die einzige Lichtquelle. Nach wenigen Sekunden ist es an der Decke heißer als 100 Grad. Doch auch im Raum selbst wird es wärmer. Nach einer Minute liegt die Raumtemperatur bei 49 Grad, die Deckentemperatur bei 186 Grad. Nach vier Minuten sind 60 Sekunden Pause – da sind es im Raum auf Brusthöhe schon 122 Grad, an der Decke 292 Grad. Nach insgesamt sieben Minuten ist Schluss – bei 152 Grad Raumtemperatur und 336 Grad Deckentemperatur.
„Wasser marsch!“ lautet das Kommando. Mit dem Schlauch halten die Feuerwehrkräfte auf die Flamme, löschen sie innerhalb von Sekunden, Dunkelheit breitet sich wieder aus. Nicht bedacht haben sie die Auswirkungen des Wassers auf die Flamme und die Hitze. Siedend heißer Wasserdampf prasselt auf sie herab. „Wenn da jetzt eine zu rettende Person ohne Schutz wäre, sie wäre verbrüht“, beschreibt es Ralf Horst. Er ist Bediensteter des Feuerschutz-Technischen Zentrums in Kreuzau-Stockheim im Kreis Düren. Er ist derjenige, der das Tor hinter den Feuerwehrleuten schließt, von außen die Flamme zündet, den Kontakt zum Einsatzleiter im Innern hält und später auch die Helmtemperatur misst. Sie liegt bei einigen Feuerwehrleuten bei mehr als 100 Grad.
Als Einsatzleiter ist Heiko Bensberg von der Feuerwehr Zülpich im Innern. Sein Kollege Michael Klinkenberg von der Feuerwehr Kall ist draußen. Die beiden Ausbilder wechseln sich ab mit den jungen Kräften, die im Rahmen des sechswöchigen Truppführerlehrgangs des Kreisfeuerwehrverbandes Euskirchen meist zum ersten Mal mit der Brandsimulationsanlage in Stockheim in Kontakt kommen. Bensberg war es auch, der die Kameraden bewusst zum falschen Löschen der Flamme aufgefordert hat. „Sie sollen wissen, was passiert, wenn der Wasserdampf auf sie zukommt“, erklärt Bensberg.
Sieben Minuten Hitzegewöhnung
Die sieben Minuten in der „Garage“ der Anlage sind nichts anderes als Hitzegewöhnung. „Es ist gut warm“, scherzt Oliver Seifert von der Feuerwehr Euskirchen und wird dann ernst: Man wolle nur auf dem Boden hocken bleiben, denn die Temperatur steige mit zunehmender Höhe. Ralf Horst weiß, dass einige mit der Hitze nicht klarkommen. Dann wird der Notaus-Schalter gedrückt, damit der Kamerad die Anlage verlassen und sich erholen kann. Die angehenden Truppführer aus dem Kreis Euskirchen haben aber durchgehalten. Heiko Bensberg und Michael Klinkenberg müssen als Ausbilder während des Trainings jeder fünf bis sechsmal ins Innere. Da gilt es, zwischendurch viel zu trinken.
Die Hitzegewöhnung dient aber auch dazu, Vertrauen in die eigene Ausrüstung zu gewinnen. Die Raumtemperatur von 152 Grad am Ende der sieben Minuten darf kein Problem darstellen – ungemütlich wird es, wenn die Kleidung falsch angelegt oder gar beschädigt ist. „Hier lernen die Kameraden, warum sie ordentlich mit ihrer Ausrüstung umzugehen haben und die Schutzkleidung nicht in die Ecke werfen sollen“, erklärt Bensberg. Eine Garnitur Brandschutzkleidung kostet schließlich etwa 1000 Euro – bei extremen Temperaturen lohnt sich da jeder Cent. „Es ist bemerkenswert, was das Equipment alles aushalten muss, vom Schlauch angefangen. Deshalb sind Pflege und Wartung auch besonders wichtig“, ergänzt Heiko Bensberg.
Während die Feuerwehrkräfte sich nach der Eingewöhnung kurz erholen, führt Ralf Horst den Reporter der Agentur ProfiPress durch die zweigeschossige Anlage. In jedem der vier Räume (Garage, Küche, Schlafzimmer und Wohnzimmer) riecht es nach dem gasähnlichen Geruchsstoff, die Wände sind verrußt, Licht dringt nur durch geöffnete Türen ins Innere. Rot schimmern die Notaus-Schalter in jedem Raum. Der Herd, aus dem eine Flamme schießen kann, ist ebenso aus Metall wie das Sofa im Obergeschoss und das Bett im Schlafzimmer. Über eine Treppe geht es nach oben. Ein wenig unwirklich erscheint das Szenario schon.
Vermisstensuche in der Finsternis
Nur kurze Zeit später dringt der erste Trupp, also zwei Leute, ins Innere vor. Eine Person wird vermisst, vermutlich befindet sie sich im Obergeschoss, eventuell aber auch im Erdgeschoss – so die Einsatzbeschreibung. Die beiden jungen Feuerwehrleute Bernd Hilgers (Feuerwehr Euskirchen) und Jannic Moutsoulas (Löschgruppe Strempt) sollen sie finden und retten. Heiko Bensberg hatte die Person hinter dem Sofa im Wohnzimmer versteckt, das sich im Obergeschoss befindet. Als sei die Dunkelheit nicht schon Hindernis genug, schaltet Ralf Horst aus seinem Kommandostand per Knopfdruck die Nebelmaschine an. Innerhalb von Sekunden ist das Haus verraucht, aus den Schlauchlöchern in den Türen dringt der Qualm nach außen.
Noch im Vorgespräch hatte Bensberg dem Reporter erzählt, wie wichtig das richtige Schlauchmanagement ist. Ganz reinziehen in die Einsatzstelle müsse man den Schlauch. Eine Sache, die Hilgers und Moutsoulas vergessen – und vermutlich nun nicht mehr vergessen werden. Schritt für Schritt tasten sie sich im Dunkeln vor. Beobachtet werden sie dabei von Bensberg mit einer Wärmebildkamera, die Bilder werden auf einen Bildschirm im Kommandostand übertragen, sodass auch Ralf Horst sieht, was im Innern vor sich geht.
Schlauchmanagement wichtig
Mit Händen und Füßen suchen Hilgers und Moutsoulas Zentimeter für Zentimeter das Erdgeschoss ab. „Ihr habt sehr gut gesucht“, wird sie Bensberg später in der Manöverkritik loben. Als sie dann auf dem Weg nach oben sind, passiert ist es: Der Schlauch verhakt sich außerhalb der Anlage an der Einstiegsstufe. Kurz vor dem Ziel müssen die beiden umkehren, um den Schlauch ganz ins Gebäude zu ziehen. Wichtige Zeit, die unnötigerweise verlorengeht – und die im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden kann. „Zieht immer alles in den Raum rein, was geht“, wird ihnen Bensberg mit auf den Weg geben. Schlauchmanagement sei eben harte Arbeit.
Mehrere Minuten dauert es, bis die Puppe gefunden und über Außentüren im Obergeschoss geborgen wurde. Schweißgebadet sind sowohl der Trainer als auch die angehenden Truppführer froh, endlich die Uniform abzulegen, durchzuatmen und etwas zu trinken. „Ich war teilweise wirklich orientierungslos“, gesteht Bernd Hilgers. Natürlich haben sie im Einsatz Lampen dabei. Dafür sind echte Häuser deutlich weniger übersichtlich als die Anlage. Die 27 erfolgreichen Lehrgangsteilnehmer sind auf jeden Fall für den echten Einsatz im brennenden Haus gewappnet – und doch hoffen sie alle, dass es möglichst selten dazu kommt.
Kreisfeuerwehrverband
Euskirchen e.V.